Liebe Mitglieder des Österreichischen Astronomischen Vereins, liebe Sternfreundinnen und -freunde!
Der Mai war im Astroverein trotz fehlender Planeten sehr vielfältig: Neben einer Schulführung im Sterngarten und einem hoch interessanten Stammtisch (beides Franz Vrabec) gab’s am 10.5. ein beachtliches Nordlicht (siehe Fotos in der Homepage). Am Tag darauf eine Sternführung mit über 40 Besuchern, von denen freilich die meisten auf ein abermaliges Polarlicht hofften. Wir konnten zwei neue Mitglieder begrüßen! Am 24. sprach Prof. Schuh (Potsdam) über moderne Vermessungen des ”Systems Erde” und der Monat sollte mit einer Meditation unter Sternen schließen (verschoben auf 7. Juni).
Auch im Juni gibt’s am Abendhimmel keine Planeten, aber dafür am Morgenhimmel eine ganze Parade knapp vor Sonnenaufgang (Saturn, Neptun, Mars, Uranus, evtl. Jupiter/Merkur). Das wird aber persönlichen Initiativen überlassen.
Unsere nächsten Termine (Anmeldung bitte am Link oder bei Veranstaltungen)
- Fr. 7.6, 20:30 Sterngarten: Meditation unterm Sternenhimmel, mit Erika Erber
- So. 9.6., 21 Uhr Sterngarten: Die Frühlings-Sternbilder Löwe, Jungfrau und Bootes, mit Georg Zotti
- So. 16.6., 8–19h Astronomische Exkursion nach Linz: eine besondere Sonnenuhr an der Uni, Mittags am Pöstlingberg, ab 15h Kepler-Sternwarte. Bitte bis 9.6. anmelden!
- Fr. 21.6., 12:30–14:30 TU Wien: 8 Kurzvorträge von Studenten quer durch die Astronomie (Link kommt in die Homepage)
- So. 23.6., 12:30 Sommerbeginn im Sterngarten und Meridiandurchgang der Sonne, mit Franz Vrabec und Caroline Posch-Primes
- Do. 27.6., 19 Uhr Walfischg.12: Amadee-24, Mars-Simulation ein Armenien, mit Gernot Grömer (Weltraumforum)
Sternbild des Monats: die Jungfrau
Sie ist das zweitgrößte Sternbild des Himmels und steht gegen 22 Uhr im Süden, 30-50° hoch. Wegen Größe und Lage auf der Ekliptik ist es mit der Geschichte vieler Entdeckungen verknüpft.
Der Hauptstern Spica (α Virginis, 0.9 mag) ist 250 Lichtjahre entfernt und ein enger spektroskopischer Doppelstern: in nur 4 Stunden umkreisen sich zwei heiße Riesensterne mit 20–25.000°. Dem Schwung der Wagendeichsel (nahe dem Zenit) folgend kommt man zum hellgelben Arktur und weiter im Bogen zur blauweißen Spica. Der lat. Name bedeutet Kornähre, weil in der Jungfrau die antike Fruchtbarkeitsgöttin Demeter gesehen wurde. Ihre Arme sind U-förmig nach oben geöffnet (siehe Bild im Anhang). Dort liegt auch der Herbstpunkt, den die Sonne am 22. September passiert.
Andere Kulturen verknüpften das Sternbild mit der sumerischen Göttin Inanna bzw. Ischtar, der ägyptischen Isis und den griechischn Mythen um Dike und Persephone.
Die nächsthellsten Sterne sind Porrima (γ Vir, 2.7 mag) und Vindemiatrix (ε Vir), ersterer ein schönes Paar aus zwei gleichhellen Sonnen in 4” Abstand. Interessant sind auch 61 und 70 Virginis, beide sonnenähnlich mit mehreren Exoplaneten. Am Pulsar PSR B1257+10 wurden 1992-94 die ersten Exoplaneten entdeckt,
In der Jungfrau liegt der große Virgo-Galaxienhaufen in 55 Millionen Lichtjahren, zu dessen Ausläufer auch unsere Milchstraße gehört. Die größte dieser Galaxien ist Messier 87 mit einem riesigen Schwarzen Loch, dessen mit Radioteleskopen gewonnenes Bild vor 4 Jahren Furore machte. Sein Jet wurde schon 1918 entdeckt. Ähnlich groß wie M87 sind M49 und M60. Hier ein Blick ins Zentrum des Haufens. Bekannt ist auch die Sombrero-Galaxie M104 am Südrand des Sternbildes.
Jupiter stand 1610 in der Jungfrau, als Galilei und Marius seine vier großen Monde entdeckten, und 1994 beim Kometen-Einschlag auf Jupiter. Auch der hellste Asteroid Vesta wurde hier 1807 entdeckt, sowie 1963 der erste Quasar (3C 273). Er ist 2,4 Mrd. Lichtjahre entfernt, aber dennoch in mittelgroßen Amateurteleskopen sichtbar.
Ebenfalls in der Jungfrau stand der Mond bei Apollo 11, Saturn bei Voyager 1 (1980), der Mars bei Viking 2 (1976) und Pluto 1978, als sein Mond Charon entdeckt wurde (alle diese Angaben aus dem empfehlenswerten Kosmos-Buch ”Sternbilder”).
Astronomische Übersicht für Juni 2024
Nach dem Mai zeigt auch der Juni keine Planeten am Abendhimmel. Doch vor Sonnenaufgang gibt es eine nicht ganz einfache ”Planetenparade” mit allen außer Venus: angeführt von Saturn (ab 2 Uhr), gefolgt von Mars und in der Morgendämmerung von Jupiter und Merkur. Dazwischen im Feldstecher auch Neptun und Uranus.
Am nordwestlichen Abendhimmel sieht man noch zwei Sterne des Wintersechsecks(Pollux und Capella). Auch Krebs und Löwe neigen sich schon dem Westen zu. Der Große Wagen steht hoch über unseren Köpfen und weist mit seinem Deichselschwung zum Bärenhüter und weiter zur Jungfrau (Sternbild des Monats). Im Osten steigen Herkules, Leier und Schwan empor. Der kleine Wagen ragt vom Polarstern steil in die Höhe, während die Kassiopeia ihren nördlichen Tiefstand hat.
Sonnenbahn und Dämmerung
Im Juni wächst der helle Tag bis zur Sonnenwende am 21.6. nur noch wenig: von 15,8 auf 16,1 Stunden. Der Sonnenuntergang in Wien ändert sich von 20:46 auf 20:59 MESZ. Im Westen Österreichs ist alles je nach geografischer Länge später, in Innsbruck z.B. um 20 Minuten. Wegen der Zeitgleichung ist allerdings der früheste Sonnenaufgang am 16., der späteste Sonnenuntergang am 26. Juni.
Zur Sonnenwende (21.6.) gibt es die alljährliche Führung im Sterngarten, heuer schon am Sonntag 18. Juni um 12:30 Uhr.
Nun wird es erst gegen 24 Uhr völlig dunkel – und auch das nur für 1 bis 2,5 Stunden, je nach geografischer Breite. Die meisten Leute schätzen zwar die Sommerzeit, aber im Winter wäre sie schrecklich – nicht nur für Schulkinder. Bitte das bei einer allfälligen Abstimmung zu beachten.
Die bürgerliche Dämmerung (Sonnentiefe 6°, Lesen im Freien möglich) dauert nun bereits 40 Minuten, die nautische (-12°, am Meer sind Horizont und helle Sterne gleichzeitig sichtbar) weitere etwa 60 Minuten. Der Unterschied zur astronomischen Dämmerung (siehe oben) ist aber in oder nahe einer Stadt kaum merklich.
Der früheste Sonnenaufgang in Wien ist am 16. Juni, 04.53 Uhr MESZ
und der späteste Untergang am 25. Juni, 20.59 Uhr. Grund ist die etwas veränderliche Zeitgleichung.
Der Abendhimmel im Juni
Wenn es zur Monatsmitte gegen 22 Uhr dunkel genug ist, sehen wir tief im Nordwesten noch zwei Sterne des Wintersechsecks(Pollux und Capella). Auch der Löwe neigt sich schon dem Westen zu. In seiner Mitte treffen sich die kurzen Vierecks-Seiten des Großen Wagens, der steil darüber steht. Im Süden sehen wir den Bärenhüter mit dem hellgelbenArktur. Er treibt den Großen Bären vor sich her, dessen unscheinbarer Kopf nun links vom Polarstern steht. Die Gerade seiner 3 Krallenpaare ist hingegen – auf halbem Weg zum Löwen – gut zu erkennen. Dem Deichselschwung des Großen Wagens folgend, kommen wir über den Arktur zur blauweiß strahlenden Spica (α in der Jungfrau), die mit 20.000° zu den heißesten Riesensternen zählt.
Für einen Überblick können Sie hier den Frühlings– bzw. Sommerhimmel anklicken, oder eine unserer Homepage-Sternkarten (z.B. für Sternzeit 15h). Im Südosten erreichen Herkules und Schlangenträger bald ihren Höchststand, im Osten steigt das Sommerdreieck mit der funkelnden Wega (Leier), mit Deneb im Schwan (liegendes Kreuz) und horizontnah Atair (α im Adler) empor. Wir werden es bis zum Herbstende sehen können. Rechts vom Polarstern steht der bescheidene König Kepheus, seine stolze Gattin Kassiopeia als „Himmels-W“ darunter, der Große Bär hoch im Westen. Der kleine Bär reckt sich vom Polarstern (α UMi) nach oben. In Stadtnähe sieht man aber höchstens 7 Sterne, den Kleinen Wagen. Sie dienen als einfachster Indikator der Lichtverschmutzung: der dritthellste Stern Gamma hat 3.0 mag, der Sternenbogen zwischen α und ß etwa 4.3 mag.
Um etwa 24 Uhr kulminieren Herkules, Schlangenträger sowie der Skorpion. Dessen Hauptstern ist der rote Riese Antares („Gegen-Mars“), 600 Lichtjahre von uns entfernt. Er ist 700 mal größer als die Sonne und 11.000x heller; in nur 3″ Distanz umkreist ihn ein Stern mit 5.4 mag in 880 Jahren.
Auch der Schütze ist nun aufgegangen. Gegen 2 Uhr taucht tief im Südosten Saturn auf, um etwa 3 Uhr Mars.
Sichtbarkeit der großen Planeten (Auf- bzw. Untergänge aus AAÖ 2023)
- Merkur geht zu Monatsbeginn kurz vor der Sonne auf und wird dann unsichtbar (obere Konjunktion am 14.6.). Ende Juni beginnt eine bescheidene Abendsichtbarkeit.
- Auch Venus steht jenseits der Sonne – am 4.6. in oberer Konjunktion.
- Mars in den Fischen steht unscheinbar am Morgenhimmel und geht anfangs 2 Stunden vor der Sonne auf, zu Monatsende 3 Stunden. Am 3.6. zieht die schmale Mondsichel 3° links am Mars vorbei.
- Jupiter steht noch nahe der Sonne. Erst zu Monatsende taucht er in der Morgendämmerung auf.
- Saturn im Wassermann ist der einzige gut sichtbare Planet, sein Ring ist aber bereits schmal. Er verschiebt seine Aufgänge von 2 auf 0h MESZ. Am 30.6. kommt er in den Stillstand und beginnt damit seine alljährliche Schleife (Opposition am 8.9.)
- Uranus im Stier steht noch zu nahe an der Sonne, doch
- Neptun in den Fischen wird zu Monatsende morgens im Feldstecher sichtbar, rund 10° links von Saturn.
- hellste Kleinplaneten: Ceres im Schützen, Pallas im Herkules.
Mondphasen:10 mag:
- Neumond (Nr.1255) Do 6.6., Erstes Viertel Fr 14.6., Vollmond Sa 22.6., Letztes Viertel Fr 28.6.
- Neulicht (erste abendliche Mondsichel) am 7. oder 8.6., bestes Erdlicht (Widerschein der „Vollerde“ am Mond) am 9.6.
Kleinplaneten heller als 10 mag:
- 1 Ceres (7.9–7.4 mag) rückläufig im Schützen, Opposition am 6.6.; am 30. steht sie 1,5° unter Tau Sgr
- 2 Pallas (9.2 mag) von der Krone zum Schlangekopf.Am 22.6. steht sie 1,5° südöstlich von Epsilon CrB
- 7 Iris (10–9.3 mag) im Wassermann
- 42 Isis (9.4 mag) im Schützen, Opposition am 28.6.
- 43 Ariadne (9.1 mag) im Schlangenträger, Opposition am 3.6.; beide 1856 von N. Pogson in Oxford entdeckt.
Enge Begegnungen:
- 03.6., 0h Ariadne 5’ nördlich von Tycho 6796 (16:44/-24,0°, 9.0 mag)
- 06.6., 0h Pallas 7’ nördlich von Hip.79441 (6.5 mag)
- 12.6., 3h Isis nur 3’ östlich von Hip.91974 (5.8 mag)
Konjunktionen (Zeiten in MESZ):
- 03.6., 02h: Mond 2,4° nördlich von Mars; um 4h Abstand 3°
- Unbeobachtbar: Mond-Neptun 1.6., Mond-Uranus 5.6.
- 04.6., 12h: Merkur 0,1° südlich von Jupiter (morgens in nur 12° Sonnenabstand)
- 04.6., 18h: Venus in oberer Konjunktion
- Unbeobachtbar: 5.6., 17h Mond 4,7° nördlich von Jupiter & Merkur, 6.6. Mond/Venus, 17.6. Merkur/Venus
- 14.6., 19h: Merkur in oberer Konjunktion
- 20.6., 22h51: Sonnenwende (Sonne im Sommerpunkt)
- 28.6., 11h: Mond 0,3° nördlich von Neptun.
Helle Kometen (danke, Michael Jäger!)
In der Zeit der kurzen Sommernächte ist besonders C/2023 A3 Tsuchinshan-Atlas hervorzuheben. Der Komet, der im kommenden Oktober freisichtig am Abendhimmel leuchten soll, zieht vom Sternbild Jungfrau in den Löwen. Zuletzt hat sich seine Entwicklung abgeschwächt, sodass er derzeit bei einer Helligkeit um die 10. Größenklasse stagniert. Im Fernrohr zeigt er eine stark verdichtete Koma und erst einen kurzen Schweif.
Keine große Höhe über dem Horizont erreichen die Kometen 13P/Olbers (8. Größe) und C/2023 V4 Camarasa-Duszanowicz (12. Größe), die beide vom Fuhrmann in den Luchs ziehen.
C/2023 A3 Tsuchinshan-ATLAS
Rek Dek Erde Sonne Elong. Helligkeit
2024 06 01 12 02 39.3 +02 35 14 1.795 2.330 108.9 10.5
2024 06 06 11 52 27.9 +02 49 43 1.821 2.257 101.7 10.5
2024 06 11 11 43 18.3 +02 58 37 1.850 2.183 94.7 10.4
2024 06 16 11 35 09.5 +03 02 18 1.881 2.107 88.1 10.4
2024 06 21 11 27 58.7 +03 01 09 1.912 2.031 81.7 10.3
13P/Olbers
2024 06 01 06 13 04.5 +37 16 57 2.088 1.256 25.8 8.1
2024 06 06 06 32 56.1 +38 42 14 2.060 1.231 26.0 7.9
2024 06 11 06 54 18.2 +39 57 21 2.032 1.211 26.5 7.8
2024 06 16 07 17 10.7 +40 59 46 2.004 1.195 27.2 7.7
2024 06 21 07 41 29.3 +41 46 46 1.979 1.184 28.1 7.6
2024 06 26 08 07 04.3 +42 15 37 1.955 1.177 29.2 7.5
Meteorströme:
- Scorpius-Sagittariden: nach Ende Mai zweites Maximum ca. 13.Juni, schwach, am besten um Mitternacht, langsame Meteore (26 km/s)
- Juni-Bootiden: ab etwa 20.Juni, Maximum ca. 25.-28.6., Stärke nicht vorhersehbar (zuletzt 2004 hoch). Sehr langsam, nur 18 km/s.
Mit besten Grüßen,
Dr. Gottfried Gerstbach