Gottfried Gerstbachs Himmelsvorschau November 2022

Gottfried Gerstbachs Himmelsvorschau November 2022

Beitragvon Laadoc » Do 3. Nov 2022, 11:23

Liebe Mitglieder des Österreichischen Astronomischen Vereins, liebe Sternfreundinnen und -freunde!

Der Oktober war für den Astroverein der intensivste Monat des Jahres – auch dank der vielen Sonnentage: 8 reguläre Veranstaltungen (4x im Sterngarten, 3 Vorträge, Exkursion zur Univ.-Sternwarte am Schöpfl), dazu mehrere Sonderführungen für Schulklassen (Franz Vrabec) und für meine TU-Studenten. Am schönsten aber war der strahlende 25. Oktober mit der partiellen Sonnenfinsternis, wo über 50 Gäste und zwei Schulklassen in den Sterngarten kamen.
Im November wird es etwas ruhiger ... doch an sternklaren Abenden erwarten uns Jupiter und Saturn!

Unsere nächsten Termine: (Anmeldung bitte bei Veranstaltungen)
• So 6.11., 10-13 Uhr: Planetenwanderung große Runde (Schranken Wittgensteinstr. – Planetenweg – Lainzer Tor)
• bzw. 11-12 Uhr kleine Runde (bis Saturn, dann zum Rasthaus Schießstätte)
• Do 10.11., 19h Online-Vortrag: Dynamik des Sonnensystems und die Bewohnbarkeit der Erde (der Link geht nur an Angemeldete)
• Sa 12.11., 17:15 Sterngarten für Familien: Federvieh am Sternhimmel (für Kinder ca. 5 bis 12 Jahre)
• Fr 18.11., 17h: Beobachtungsabend mit Teleskopen am Hügel über Tullnerbach
• Fr 25.11., 19h: Festsaal Walfischg.12: Urknall, Dunkle Materie und andere Rätsel des jungen Universums
• Sa 3.12., 17:00 Sterngarten: Vom Wassermann zum Mars und Stier (Ersatztermin 10.12.)
So 6.11., 19h Schloss Parz bei Grieskirchen (OÖ): Der Schauspieler Fritz Egger liest aus Keplers Briefen, kommentiert von unserem Mitglied Kurt Niel. Karten um 18€ bei Tel. 0699 1061 7187 oder per Mail: kontakt@kepleruhr.at – siehe auch Programm 450 Jahre Johannes Kepler.

Monatliches Astro-ABC

Radialgeschwindigkeit (RG): die Geschwindigkeit eines Himmelskörpers, mit der er sich in Richtung des Beobachters bewegt (negativ) oder von ihm weg (positiv). Bei 60% der Sterne unserer Galaxis liegt sie zwischen -20 und +20 km pro Sekunde.Von „Schnellläufern“ spricht man ab 60 km/s (etwa 4% der Sterne). Zusammen mit der Eigenbewegung (jährliche Änderung der Sternkoordinaten α und δ) ergibt die RG die räumliche Geschwindigkeit des Objekts relativ zu uns. Vorher muss aber der Umlauf der Erde um die Sonne (30 km/s) und meist auch die Bewegung des ganzen Sonnensystems (19 km/s) eingerechnet werden.

Die RG kann sehr genau mittels Spektralanalyse gemessen werden, nämlich aus der Verschiebung der Spektrallinien durch den Dopplereffekt. Das funktioniert sogar bei Galaxien, obwohl sich deren Spektrum aus vielen Sternen zusammensetzt. In den 1930er-Jahren wurde entdeckt, dass sich fast alle dieser „Welteninseln“ von uns weg bewegen – je ferner, desto schneller, weil das Universum expandiert. Die Hubble-Lemaître-Konstante beträgt pro Megaparsec Distanz (3,26 Mill. Lichtjahre) etwa 70 km pro Sekunde.

Radioastronomie: Teilgebiet der Himmelskunde, das sich mit der Erforschung der aus dem Weltall eintreffenden Radiostrahlung (RS) befasst. Die Beobachtungen erfolgen meist mit großen parabolischen Radioteleskopen.

Die Strahlung hat Wellenlängen von etwa 1 mm bis 20 Meter, für welche die Erdatmosphäre durchlässig ist. Die kontinuierliche thermische RS wird von ionisierten Gasen und relativ kühlen Himmelskörpern bzw. Teilchen emittiert. Die Linienstrahlung stammt hingegen von Atomen und Molekülen, wobei der Nachweis von Wasserstoff (21cm-Linie) besonders wichtig ist. Das ermöglichst sogar die Erforschung der jenseitigen Spiralarme unserer Galaxis, weil die Radiostrahlung auch Dunkelwolken und das dichte Zentrum der Milchstraße durchdringt.

Refraktion: allgemein die Änderung der Ausbreitungsrichtung von Wellen an der Grenzfläche zweier Medien.
In der Astronomie die Ablenkung des von Gestirnen kommenden Lichts in der Erdatmosphäre. Da die Luftdichte nach unten zunimmt, werden die Lichtstrahlen allmählich immer mehr gekrümmt, sodass das Gestirn höher zu stehen scheint als ohne Atmosphäre. Ein gemessener Höhenwinkel h ist um etwa 1’ × tan(h) zu verkleinern. Im Zenit beträgt die Refraktion Null, im Horizont etwa 0,6° –> beim Beginn des Sonnenuntergangs steht die Sonne tatsächlich bereits unter dem Horizont.
In der Geodäsie wird die Krümmung des Lichtstrahls zwischen zwei Vermessungspunkten terrestrische Refraktion genannt und beträgt etwa 13% der Erdkrümmung.

Astronomische Übersicht

Die November-Abende werden weiterhin von den zwei Riesenplaneten dominiert. Jupiter hatte am 26.9. Opposition, kulminiert zur Monatsmitte um etwa 20:15 MEZ und geht gegen 2 Uhr unter. Seit 2021 wanderte er von Steinbock in die Fische, unterhalb des Pegasus-Quadrats. Saturn kulminiert schon um 18 bis 17h, die Untergänge verfrühen sich von 23:20 auf 21:30 Uhr.

Mars nähert sich seiner Opposition (8.12.), die heuer besser als 2020 zu beobachten ist, obwohl etwas weiter entfernt. Er steigt bald nach Sonnenuntergang im Nordosten hoch und ist schon fast so hell wie Jupiter. Merkur und Venus werden erst im Dezember am Abendhimmel sichtbar.

Frühabends sind noch die Milchstraßen-Sternbilder von Perseus und Kassiopeia übers Sommerdreieck bis fast zum Schützen gut zu sehen, mit dem wunderbaren Schwan in Zenitnähe. Die Milchstraße zieht sich also quer über den Himmel von Nordost bis Südwest, gefolgt vom Herbstviereck (Pegasus, Kulmination anfangs um 20h) und der Andromeda. Gegen 19 Uhr kommen im Osten bereits die ersten Wintersternbilder hoch, gegen Mitternacht sind fast alle sichtbar.
Der Oriongürtel geht um etwa 21h senkrecht auf (im Untergang steht er parallel zum Horizont).

Sonnenbahn und Dämmerung

Im November verkürzt sich der helle Tag von 10 auf 8,7 Stunden. Der Sonnenaufgang in Wien ändert sich von 6:37 auf 7:22 Uhr, der Sonnenuntergang von 16:36 auf 16:03 MEZ. Die Auf- und Untergänge sind im Westen Österreichs je nach geografischer Länge später, in Innsbruck z.B. um 20 Minuten.

Anfangs ist es bereits gegen 18h völlig dunkel, zu Monatsende währt die tiefe Nacht schon 12 Stunden. Die bürgerliche Dämmerung (Sonnentiefe 6°, Lesen im Freien möglich) dauert etwa 33 Minuten, die nautische (-12°, am Meer sind Horizont und helle Sterne sichtbar) weitere 38 Minuten. In der anschließenden astronomischen Dämmerung (Sonne -12 bis -18°) wird der Himmel in Stadtnähe aber kaum mehr dunkler.

Der Abendhimmel im November

Wenn es zur Monatsmitte um 17:30 MEZ dunkel genug ist, zeigt im Nordwesten die Deichsel des Großen Wagens nach links zum orangefarbigen Arktur (α Bärenhüter) in 5-10° Höhe. Links oberhalb von Arktur finden wir den mit dem Edelstein Gemma verzierten Halbkreis der Krone und darüber den unscheinbaren Herkules, zu dem die Augen des Drachen herab glühen. Das Sommerdreieck Leier-Schwan-Adler hat sich schon Richtung Südwesten geneigt. Im Südosten steigt die Fünfsternreihe mit den oberen Sternen des Pegasus-Quadrats, der Andromeda und dem Perseus empor. Während der Große Wagen nun tief im Norden steht, nähert sich das W der Kassiopeia – der winterliche Polweiser – dem Zenit. Für einen Überblick können Sie hier den Herbsthimmel anklicken, oder auf unserer Homepage 22 Uhr Sternzeit.

Zwei Stunden später kulminiert das mythologische Himmelspferd Pegasus – allerdings segelt es verkehrt über den Himmel. Sein Leib ist das große Quadrat, Hals und Kopf verlaufen von den zwei tieferen Sternen nach rechts. Dort könnten seine Hufe wegen des "himmlischen Feuchtbiotops" (Wassermann, Fische, Cetus) ohnehin nicht aufsetzen. Unter Pegasus leuchtet Jupiter, rechts darunter Fomalhaut (α im Südlichen Fisch) – ein weißer Riesenstern mit zwei Begleitern, einer Staubscheibe und dem 2008 entdeckten Exoplaneten Dagon. Saturn steht nur mehr 15° hoch im Südwesten.

Die Milchstraße sieht man in Stadtnähe wegen der immer noch zunehmenden Lichtverschmutzung leider kaum mehr. Für sie ist eine Grenzhelligkeit von mindestens 4 mag erforderlich, was z.B. beim Sterngarten im Südwesten Wiens und im Umfeld anderer Städte der Fall ist. Mit der Vermeidung unnötiger Lichterflut hat sich in Salzburg vor 3 Jahren Österreichs Amateurtagung ÖTA'19 beschäftigt.
Der Schütze (galaktisches Zentrum) ist zwar schon untergegangen, die Schildwolke darüber ist aber noch bis 19h sichtbar. In jedem Fall kann man von dort aus mit einem Feldstecher der Sternenfülle nachgehen – über den Adler und Schwan bis zur zenitnahen Kassiopeia und dem Perseus im Nordosten. Dort ist auch der junge Doppelsternhaufen h/Chi Persei zu finden.

Um 22 Uhr kommen im Osten Orion und Zwillinge empor, darüber Stier und Fuhrmann. Gegen Mitternacht wird mit Sirius der letzte Stern des großen Wintersechsecks sichtbar. Man findet ihn in der Verlängerung des Oriongürtels nach links unten.

Sichtbarkeit der großen Planeten
• Merkur und Venus bleiben im November unsichtbar.
• Mars im Stier nähert sich seiner Opposition (8.12.) und steigert seine Helligkeit von -1.1 auf -1.7 mag. Seine Aufgänge für Wien verschieben sich von 18:50 auf 16:10 MEZ – mehr als die üblichen 2 Stunden pro Monat, weil er bereits rückläufig ist. Das heißt, die Erde beginnt, ihn auf der „Innenbahn" zu überholen.
• Jupiter strahlt mit -2,5 mag aus den Fischen. Er hatte am 26.9. Opposition, kulminiert zur Monatsmitte um etwa 20:15 MEZ und geht gegen 2 Uhr unter. Er steht nun still, fast genau unter dem Quadrat des Pegasus, weil wir uns am 24.11. genau auf ihn zubewegen. Am 4.11. besucht ihn der Mond.
o Die 4 hellen Jupitermonde zeigen noch zahlreiche Schattenwürfen (13), die man am 3., 10., 19., 26. und 27.11. sogar zur Gänze verfolgen kann – im Fernrohr ab etwa 100-facher Vergrößerung. Es sind fast dieselben Tage wie im Oktober – ein Zufall?
o Auch die Verfinsterungen werden seltener (11 nach 13), das Auftauchen der Monde aus dem Jupiterschatten erfolgt seit der Opposition östlich. Am 4., 11. und 20.11. sind sogar je 2 Verfinsterungen zu beobachten. Beim größten Mond Ganymed (6., 13., 20.11.) ist das allmähliche heller werden besonders deutlich.
• Saturn im Steinbock steht knapp 40° rechts von Jupiter, aber mit 0,8 mag mehr als 3 Größenklassen schwächer. Anfangs geht er um 23:20 unter, zu Monatsende schon um 21:30 MEZ. Die Konjunktionen mit dem Mond sind am 1. und 29. November.
o Der größte Saturnmond Titan (8,7 mag) erreicht am 4. und 21.10. seine westlichen Elongationen, am 12. und 28.10. die östlichen. Die 3 nächstgrößeren Monde haben 10 bis 10,8 mag. Wegen der Schräge des Saturnsystems, auf dessen Nordseite wir bis 2024 schauen, können die Monde einige Bogenminuten ober- oder unterhalb des Planeten stehen.
• Uranus wandert langsam durch den Widder und erreicht am 9.11. seine Opposition. Da kulminiert er um 23:40 in 58° Höhe. Mit 5,6 mag ist er leicht im Feldstecher zu finden, bei gutem Himmel sogar freiäugig. Im Teleskop ist das 3,7“ große Scheibchen blassgrün, während Neptun (2,5“) bläulicher ist.
• Neptun im Wassermann ist 2 Monate nach der Opposition noch 7,8 mag hell und kulminiert am 15.11. um 19:50 Uhr.
• Vesta (Kleinplanet Nr. 4) ist vom Steinbock in den Wassermann gezogen und nur mehr 8 mag hell, Untergangs schon gegen 23 Uhr.

Mondphasen: Erstes Viertel Di 1.11., Vollmond Di 8.11. (Mondfinsternis im Bereich des Pazifik),
Letztes Viertel Mi 16.11., Neumond Mi 23.11., Erstes Viertel Mi 30.11.

Konjunktionen:
• 01.11., 22h: Mond 4,2° südlich von Saturn; um 23h Abstand 4,8°
• 04.11., 09h: Mond 3,2° südlich von Neptun
• 04.11., 21h: Mond 2,4° südlich von Jupiter; um 24h Abstand 2,6°
• 08.11., 12h: totale Mondfinsternis, nur rund um den Pazifik sichtbar
• 08.11, 14h: Mond 0,7° nördlich von Uranus
• 08.11., 18h: Merkur in oberer Konjunktion (ganz genau hinter der Sonne!)
• 09.11., 09h: Uranus in Opposition
• 11.11., 15h: Mond 2,5° nördlich von Mars; um 20h Abstand 3,7°
• 22.11., 18h: Merkur 1,4° südlich von Venus
• 24.11., 14h: Jupiter im Stillstand, danach rechtläufig
• 24.11., 15 und 16h: Mond 2,3° südlich von Venus und 0,9° südlich von Merkur
• 29.11., 06h: Mond 4,2° südlich von Saturn; um 20h ca. 8° östlich.
Weitere Daten (Sternbedeckungen, Kleinplaneten, Meteorströme usw.) folgen in ca. 2 Tagen.

Der Astronomische Almach (AAÖ 2023) kann hier wieder als Druckversion bestellt werden.

Drei der nächsten Termine des Astrovereins vertragen noch Anmeldungen (was auch die Planung erleichtert):
• Sa 29.10., 17h: Meditation im Sterngarten (wurde kurzfristig eingefügt)
• So 6.11., 10h bzw.11h: Planetenwanderung (3 Stunden) bzw. kleine Runde (1 Stunde)
• Sa 12.11., 17:15 Sterngarten für Familien: Federvieh am Sternhimmel
und auch für morgen 19h sind im Walfisch noch Plätze frei: Raketentechnik und interplanetare Raumfahrt

Weitere Infos:
• Die DART-Mission war sehr erfolgreich – hier ein Video
• Klimawandel: schwächer werdender Golfstrom, und Mängel der internationalen Kommunikation
• Sternwartekuppel Fa. Bauer, Ø 2m Höhe 2,4m, Unterbau (1,4m hoch) aus Alu BJ 2005 SNr. 5, Kuppelspalt 70cm breit
o Näheres s.a. astronomieforum.at, VB ca. 5000 €, mario.g.enengl@a1.net
• Atlas für Himmelsbeobachter – ein praxisgerechtes Kosmos-Buch, Besprechung demnächst

Für Beobachter: versäumt die kommenden warmen Nächte nicht!
• Jupiter und seine Monde – derzeit fast jeden Tag Schattendurchgänge und Verfinsterungen
• Wer Jupiters Abplattung (immerhin 1:16) realisieren möchte: Kopf quer halten!
• Bei Saturn sogar 1:10 (nur muss man sich den Ring wegdenken ;-) siehe auch Pinters Himmelszelt


Mit besten Grüßen,
Dr. Gottfried Gerstbach
Vorsitzender des ÖAV
Laadoc
 
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Registriert: So 2. Nov 2014, 13:53

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