Gottfried Gerstbachs Himmelsvorschau September 2022

Gottfried Gerstbachs Himmelsvorschau September 2022

Beitragvon Laadoc » Di 30. Aug 2022, 16:53

Monatliches Astro-ABC

Parallaxe ist die scheinbare Verschiebung eines Objekts, wenn der Beobachter seine eigene Position verändert. In der Astronomie ist vor allem die
jährliche Parallaxe von Bedeutung: der Winkel, um den sich die Richtung zu einem Stern ändert, weil die Erde um die Sonne kreist. Jeder Stern beschreibt jährlich eine kleine Ellipse, umso schlanker, je näher er zur Ekliptik liegt. Die j.P. von Alpha Centauri (4,3 Lichtjahre entfernt) beträgt 0,74“; bei 1 Parsec (3,26 Lichtjahre) ist sie definitionsgemäß 1“.
Die erste Parallaxenmessung gelang F.W. Bessel 1837-38 am Stern 61 Cygni (0,31±0,02“), den er als Schnellläufer (5,2“/Jahr) in geringer Distanz vermutete. Auf Sternwarten lassen sich in langen Messreihen Parallaxen bis herab zu 0,003“ (1000 Lichtjahre) messen, mit scannenden Satelliten wie GAIA genauer als 0,0001“ (30.000 LJ). Mit so präzisen Sternörtern kann nun die Struktur der Milchstraße genau bestimmt werden. Für Distanzen zu anderen Galaxien gibt es Verfahren mit pulsierenden Sternen (Cepheiden) und mit Supernovae.

Die tägliche Parallaxe wird hingegen von der Verschiebung des Beobachters durch die Erdrotation verursacht. Sie macht beim Mond etwa 1° aus und ist auch bei Messungen zu Planeten noch merklich. Die indirekte Messung der Sonnenparallaxe (8,80“) gelang erstmals beim Venusdurchgang 1761 und ergab den Erdbahnradius auf 5-10% genau, 1769 bereits auf 2%. Seit den 1960ern werden dafür Radarechos von Venus und Raumsonden verwendet.
Weitere verwandte Begriffe sind:
Säkulare Parallaxe (Bewegung des Sonnensystems relativ zu den Nachbarsternen), dynamische Parallaxe (bei Doppelsternen), Sternstromparallaxe (bei offenen Sternhaufen) und spektroskopische Parallaxe (Sternentfernung aus der geschätzten Leuchtkraft).

Photometrie sind Methoden zur Helligkeitsmessung von Objekten. Visuell vergleicht man zwei Sterne freiäugig oder im Gesichtsfeld des Fernrohrs. Verfeinert mit der Argelander’schen Stufenschätzung oder künstlichen Sternen. Fotografisch arbeitete das Plattenphotometer, wo die Schwärzung von Sternen auf den Fotoplatten gemessen wurde.
Lichtelektrische P. misst den winzigen Stromfluss, den Photonen im Alkalimetall einer Vakuumzelle hervorrufen; verstärkt wird er im Photomultiplier.
Als lichtelektrische Flächenphotometer können CCD-Detektoren dienen, aber auch CMOS-Sensoren. Thermoelektrische Fotometer messen die Erwärmung einer schwarzen Fläche durch die Strahlung (v.a. für Infrarot).
Genauigkeit: Visuell 0.05–0.1 mag (5-10%), fotografisch bis 0.01 mag, lichtelektrisch besser als 0.001 mag. Neueste Instrumente für Weltraumteleskope zur Entdeckung von Exoplaneten-Transits übertreffen dies noch.

Planet (früher auch Wandelstern): ein großer, nicht selbstleuchtender Himmelskörper, der die Sonne (bzw. allgemeiner: einen Stern) umrundet.
Die IAU definierte es 2006 in Bezug auf die nun 8 großen Planeten genauer:
* die Masse muss so groß sein, dass in ihm hydrostatisches Gleichgewicht herrscht (kugelähnliche Gestalt)
* er ist dominierendes Objekt seiner Umlaufbahn, hat sie also durch seine Gravitation von weiteren Objekten „freigeräumt“.
Der letzte Punkt folgte aus der Diskussion zum Status von Pluto und führte zur neuen Klasse Zwergplanet (runde Form, ab etwa 500 km Ø). Kleinere, unregelmäßig geformte Gesteinskörper bezeichnet man weiterhin als Kleinplaneten (Asteroiden, Planetoiden) – im Gegensatz zu Kometen, die einen hohen Anteil von Eis besitzen, das in Sonnennähe verdampft und die leuchtende Koma ausbildet.

Von der Antike bis ins 17. Jahrhundert sprach man von den sieben Planeten (Wandelgestirnen), zu deren heiliger Zahl 7 auch Sonne und Mond zählten. Spätestens durch die Entdeckung des Uranus (1781) hat sich diese Sichtweise zur heutigen gewandelt. Mit der Entdeckung der ersten Planetoiden zwischen Mars- und Jupiterbahn wurde die Zahl der Planeten von 9 bis etwa 12 weitergeführt, bis man um 1850 die Klasse der Kleinplaneten einführte.

Sonnenbahn und Dämmerung

Im September nimmt der helle Tag von 13,5 auf 11,9 Stunden ab. Der Sonnenuntergang in Wien ändert sich genau um 1 Stunde von 19:39 auf 18:37 MESZ. Wegen des astronomischen Herbstbeginns am 23.9. ist dies die rascheste Änderung des Jahres (im März sind es nur 45 Minuten).
Die Auf- und Untergänge sind im Westen Österreichs je nach geografischer Länge später, in Innsbruck z.B. um 20 Minuten.

Anfangs ist es bereits gegen 21 Uhr völlig dunkel -- und zu Monatsende währt die tiefe Nacht schon 7 Stunden. Die bürgerliche Dämmerung (Sonnentiefe 6°, Lesen im Freien möglich) dauert nur mehr 32 Minuten, die nautische (-12°, am Meer sind Horizont und helle Sterne sichtbar) weitere etwa 37 Minuten. Der Unterschied zur astronomischen Dämmerung (siehe oben) ist aber in oder nahe einer Stadt kaum merklich.

Der Abendhimmel im September

Wenn es zur Monatsmitte gegen 20 Uhr MESZ dunkel genug ist, sieht man im Westen, 35° hoch, den hellgelben Arktur im Bärenhüter (α Bootes), während Löwe und Jungfrau schon entschwinden. Rechts von Arktur steht der Große Wagen, zu dem der Bogen der drei Deichselsterne hinweist. Der mit 37 Lichtjahren nächstgelegene Rote Riese ist neben Wega (α Lyrae, fast im Zenit) der hellste Stern am Nordhimmel. Zwischen Arktur und Wega finden wir den schönen Halbkreis der Krone (am Stadtrand immerhin 3-4 Sterne) und den unscheinbaren Herkules.

Für einen Überblick können Sie hier den Sommer- bzw. Herbsthimmel anklicken. Genauer sind unsere Homepage-Sternkarten – z.B. für Sternzeit 19h. Im Süden stehen zusätzlich die Riesenplaneten Jupiter und Saturn im Wassermann bzw.Steinbock.

Genau im Zenit faucht der Drache seinen Feuerhauch Richtung Herkules. Darunter Ophiuchus (Schlangenträger, Sinnbild für Äskulap), den ich im August-ABC genauer beschrieben habe. Sein hellster Stern Rasalhague bildet mit Wega und Atair ein gleichseitiges Dreieck. Tief im Südsüdwesten erkennen wir noch Antares, den roten Hauptstern im Skorpion. Genau im Süden steht nun der Schütze mit seinen vielen Sternhaufen und Gasnebeln, von denen viele schon im Feldstecher zu sehen sind – am hellsten die Messier-Objekte M 23-25, M 8, 17 und 20. Am linken Rand des Sternbildes, wo sich in 25.000 Lichtjahren Entfernung das Zentrum unserer Galaxis verbirgt, stand 2021 Saturn, der inzwischen zum Steinbock wanderte.

Das große Sommerdreieck mit Wega (Leier) sowie Deneb (Schwan bzw. nördliches Kreuz) und Atair (α im Adler) wird in 1 Stunde den Meridian erreichen. Wir können es abends bis Jahresende sehen. Im Schwan teilen einige Dunkelwolken die Milchstraße, die sich über den Adler und die Schildwolke zum Schützen hinabzieht.
Ein Genuss erster Klasse ist es, auf einer Liege, mit einem Feldstecher in der Hand, den tausenden Sternen der Milchstraße im Schwan zu folgen und sich die Tiefen des Universums vorzustellen ... Ihr Band ist aber schon im Nordosten mit Perseus und dem "Himmels-W" der Kassiopeia zu finden, zwischen denen der Doppelsternhaufen h und χ Persei steht. Die rötlichen Gasnebel rund ums Bild dieser "nur" 6 Millionen alten Sterne sieht aber nur ein Infrarot-Auge,

Der Polarstern steht dieses Jahrhundert nur mehr 40' vom Himmelsnordpol entfernt. Seinen kleinen 24-Stunden-Kreis hat Hermann Mucke († 12.3.19) im Sterngarten durch die Lochscheibe des Nordmastes veranschaulicht. Links von Polaris reckt sich der kleine Bär empor. In Stadtnähe sieht man aber nur 3-7 Sterne, den Kleinen Wagen. Sie dienen als einfachster Indikator der Lichtverschmutzung: der dritthellste Stern Gamma hat 3.0 mag, der Sternenbogen zwischen α und ß etwa 4.3 mag. Im Laufe der Nacht dreht er sich links unter den Polarstern; mit dem sogenannten Nokturnal hat man im Mittelalter aus dieser Drehung die Uhrzeit fürs morgendliche Stundengebet bestimmt.

Gegen 23 Uhr hat auch der Schwan schon den Meridian überschritten, zwischen ihm und Polaris steht das unscheinbare Fünfeck des Kepheus. Im Süden finden wir nun die unauffälligen Tierkreis-Sternbilder Steinbock (mit Saturn) und Wassermann, weiter links die Fische und den hellgelben Jupiter. Halbhoch im Osten steht die Fünfsternreihe aus Pegasus, Andromeda und α Persei. Unter ihnen steigt langsam der Widder empor, und um 24 Uhr im Osten das Sternwölkchen der Plejaden und der Stier.


Sichtbarkeit der großen Planeten
• Merkur hatte Ende August den größten östlichen Abstand von der Sonne, steht abends aber wegen der flach liegenden Ekliptik so tief, dass er allenfalls bis 10.9. im Feldstecher zu finden ist. Er „überholt" nun die Erde auf der Innenbahn und erreicht am 23.9. seine untere Konjunktion.
• Venus beendet ihre lange Morgensichtbarkeit. Zur Monatsmitte geht sie nur mehr 1 Stunde vor der Sonne auf und verschwindet bald in der anbrechenden Dämmerung. Am 25. zieht die schmale Mondsichel 3° nördlich an ihr vorbei.
• Mars geht nun schon vor 23h auf und hat das Goldene Tor der Ekliptik zwischen Plejaden und Hyaden durchwandert. Seine Helligkeit nimmt auf 0 mag zu und wird bis Dezember -1.6 mag erreichen. Sein Scheibchen legt auf 10 bis 12“ zu, sodass im Teleskop schon einige Details erkennbar sind. Am 17. zieht der abnehmende Halbmond 3° nördlich vorbei.
• Jupiter hat seine Opposition am 26.9. zwischen Fischen und Cetus (Wal) und geht daher schon bald nach Sonnenuntergang auf. Seine rückläufige Bewegung lässt sich mittels Pegasus-Quadrat jede Woche erkennen. Die Helligkeit erreicht -2.5 mag, der Durchmesser beachtliche 50“, und das Spiel seiner vier hellen Monde hat sich voll entfaltet (AAÖ Seite 52-58):
o Beobachtbar sind insgesamt 10 Verfinsterungen der Monde 1–3 durch Jupiter – in den Nächten 2/3. und 8/9. sogar zwei! Bis zur Opposition finden sie knapp westlich des Planeten statt, am 26. knapp am Ostrand). Schattendurchgänge der Monde gibt es sogar 14 zu sehen, meist die ganzen 2-3 Stunden. Erscheinungen je zweier Monde gibt es am 9., 17. und 24. September.
• Saturn im Steinbock hatte die Opposition am 14.8. und ist fast die ganze Nacht zu sehen (Untergänge 19 –> 17 Uhr). Sein scheinbarer Durchmesser misst noch 19“, der Ring 42“, was schon im Feldstecher klar zu sehen ist. Die Konjunktion mit dem Mond ist am 8.9. mittags.
o Der größte Mond Titan (8 mag) hat maximale westliche Elongation am 2. und 18.9., östliche am 10. und 26.9.; drei andere große Monde sind etwa 10 mag hell, stehen aber wegen der Schräge des Saturnsystems (derzeit 14°) nicht in einer Linie wie bei Jupiter.
• Uranus im Widder geht nun schon zwischen 22 und 20h auf (Opposition am 9.11.)
o Am 14/15. gibt es eine Bedeckung durch den Mond, siehe unten.
• Neptun, rückläufig zwischen Fischen und Cetus, ist nun fast die ganze Nacht sichtbar: Opposition am 16. September.
Mondphasen:
Erstes Viertel am Sa 3.9., Vollmond am Sa 10.9., Letztes Viertel am Sa 17.9., Neumond (Nr.1234) am So 26.9.
Neulicht (erste abendliche Mondsichel) am 27.9., bestes Erdlicht (Widerschein der „Vollerde“) 1-2 Tage danach.
Konjunktionen (alle Zeiten in MESZ):
• 08.9., 13h: Mond 4° südlich von Saturn
• 10.9., 21h: Mond 3° südlich von Neptun
• 11.9., 17h: Mond 2° südlich von Jupiter (um 21h Abstand 3°)
• 14.9., 23:00–24:21,0 (in Linz 24:20,1): Uranus-Bedeckung durch den Mond. Eintritt am hellen Mondrand (schwierig, Osten 19°), Austritt (in Höhe 33°) leichter zu beobachten, Positionswinkel 248°
• 17.9., 00h: Neptun in Opposition zur Sonne
• 17.9., 04h: Mond 3,5° nördlich von Mars (um 4h Abstand 2,9°)
• 23.9., 3h04: Astronomischer Herbstbeginn, Tag-Nacht-Gleiche
• 23.9., 09h: Merkur in unterer Konjunktion
• 25.9., 07h: Mond 2,8° nördlich von Venus (Neumond, nicht beobachtbar)
• 26.9., 03h: Merkur 4,2° südlich von Venus (Neumond, nicht beobachtbar)
• 26.9., 22h: Jupiter in Opposition zur Sonne
Sternbedeckungen durch den Mond (heller als 6 mag)

• 14./15.9., 23:00 bis 00:21,0 Uranus (5.7 mag); Austritt in Linz 00:20,1; in Graz 00:18,4; in Innsbruck 00:17,0
• 16.9., 05:16,7 37 Tau (4.4. mag, Anfang); Innsbruck 05:07,1
• 18.9., 00:35,6 125 Tau (5.2 mag, Ende); Innsbruck 00:36,4
• Weitere Sterne siehe www.astroverein.at/beobachten/astronomi ... esterreich, p.63-81

Kleinplaneten, Kometen, Meteore und Astro-News folgen in einigen Tagen.

Mit besten Wünschen für die letzten Sommerwochen,
Dr. Gottfried Gerstbach
Vorsitzender des ÖAV
Laadoc
 
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