Gottfried Gerstbachs Himmelsvorschau Mai 2023

Gottfried Gerstbachs Himmelsvorschau Mai 2023

Beitragvon Laadoc » Mo 8. Mai 2023, 16:40

Der Abendhimmel im Mai 2023

Wenn es zur Monatsmitte um 21:30 Uhr dunkel genug ist, sehen wir im Südwesten noch das halbe Wintersechseck (Procyon, Zwillinge, Fuhrmann, Teile vom Stier). Die Zwillinge werden von der strahlenden Venus und vom unauffälligeren Mars flankiert. Parallel zum Horizont geht der Oriongürtel unter (im Herbst kam er senkrecht hoch). Im Süden erhebt sich die Jungfrau und im Südosten der hellgelbe Arktur (α im Bärenhüter), während der Kopf des Löwen schon zu sinken beginnt. Wer am Ende der Osternacht aus dem Südtor einer Dorfkirche trat, sah ihn genau vor sich. Was sonst am Sternhimmel zu sehen ist, können Sie auf unseren Sternkarten (ab Seite 102) oder im Wikipedia-Frühlingshimmel anklicken:

Im Osten steigen Krone und Herkules empor, im Nordosten die funkelnde Wega (Leier) und das Dreieck des Drachenkopfs. Unterm Nordstern steht der bescheidene König Kepheus, seine stolze Gattin Kassiopeia links darunter ("Himmels-W"). Ihr heldenhafter Schwiegersohn Perseus der Andromeda-Sage wartet tief im Nordwesten, die von ihm gerettete Schöne bleibt aber bis 2h unterm Horizont. Der Große Bär betrachtet die Lage vom Zenit aus – seine 7 hellsten Sterne bilden den Großen Wagen. Der kleine Bär (bzw. kleiner Wagen) streckt sich ihm entgegen, hoch über seinem Schwanzende, dem Polarstern. Man sieht in Stadtnähe aber nur 3-6 Sterne des Kleinen Wagens. Sie sind der einfachste Indikator der Lichtverschmutzung. Sieht man die 3 schwachen Sterne der Deichsel, ist die Grenzhelligkeit besser als 4 mag, bei 7 Sternen 5 mag.

Gegen 22 Uhr hat der ganze Löwe den Meridian überquert. Sein Hauptstern Regulus liegt genau auf der Ekliptik und wird daher oft vom Mond bedeckt, alle 85 Jahre sogar von der Venus. Etwa 20° rechts steht in halber Höhe der unscheinbare Krebs und mittendrin der helle Sternhaufen M44, die Praesepe (Krippe). Die zwei Sternchen daneben heißen nördlicher und südlicher Esel. Im Zentrum des nahen, über 1° großen Sternhaufens zeigt schon ein kleines Teleskop das funkelnde Schmuckkästchen mit 4-5 engen Doppelsternen.
Über Regulus sollte man sich auch den farbenfrohen Doppelstern Algieba (γ Leonis) ansehen, sowie links die Spiralnebel-Paare M65/66 und M95/96. Links vom Löwen folgt der Virgo-Galaxienhaufen mit tausenden Spiralnebeln, darunter 11 Messier-Objekte.

Der Große Wagen steht nun im Zenit. Genau in der Verlängerung γ ➔ α UMa findet man schon im Feldstecher das helle Galaxienpaar M81/82. Der "Zigarrengalaxie" M82 sieht man noch die Folgen einer früheren Begegnung mit M81 an: eine ungewöhnliche Starburst-Region in ihrer Mitte. Am Ende der Wagendeichsel steht die Whirlpool-Galaxie M51, an der 1845 erstmals Lord Rosse Spiralarme erkannt hat. Sie ist ein ferner Ausläufer des Virgo-Galaxienhaufens. Unter M51 kann man im Fernglas den Coma-Sternhaufen bewundern.

Der Deichselschwung des Wagens weist zum orangefarbenen, relativ nahen Arktur (α im Bootes), der gegen Mitternacht kulminiert. An ihm ist schon früh die Eigenbewegung (0,1° in 150 Jahren) aufgefallen. Dem Kreis weiter nach unten folgend kommt man zur fernen, blauweißen Spica, mit 22.000° fünfmal heißer als Arktur. Mit Regulus bilden sie das Frühlings-Dreieck.

Um 2 Uhr stehen Herkules, Schlangenträger und Skorpion im Süden, während im Südosten das Sommerdreieck emporsteigt. Gegen 3h ist Saturn im Wassermann zu finden, um 4h wird es langsam hell und im Osten wird bald Jupiter auftauchen.


Sichtbarkeit der Planeten
Der im April gut sichtbare Merkur steht nun am 2.5. zwischen uns und der Sonne. Doch schon am 29.5. hat der flinke Planet 25° Elongation. Er steht aber 10° südlicher als die Sonne und ist am Morgenhimmel nur im Fernglas erkennbar.
Venus zieht mit -4 mag Helligkeit schon in der Abenddämmerung die Blicke auf sich und erreicht 42 bis 45° Sonnenabstand. Dadurch geht sie um den 20. Mai für Niederösterreich erst um 0:20 MESZ unter! Im Fernrohr sieht sie nun wie ein kleiner, blendend heller Halbmond mit 18-22” Durchmesser aus. Am 23.5. zieht die Mondsichel 2° nördlich an Venus vorbei.
Mars wandert – rund 20° links der Venus – von den Zwillingen in den Krebs, ist aber nur mehr 1.5 mag hell. Sein Scheibchen ist auf 5” geschrumpft und zeigt in Amateurteleskopen keine Details mehr. Die Untergänge verschieben sich in Wien von 1:45 auf 0:35 Uhr.
Jupiter stand am 12.4. in Konjunktion zur Sonne und wird ab etwa 20. Mai (28° Sonnenabstand) in der Morgendämmerung sichtbar.
Saturn im Wassermann geht zur Monatsmitte um etwa 1:40 auf, rund 2 Stunden vor Jupiter. Er ist mit 1.1 mag etwas heller als Deneb im Schwan und wird Mitte Juni seine jährliche Schleife beginnen.
Uranus im Widder hat am 9.5. Konjunktion zur Sonne und ist dann 3091 Mill. km von uns entfernt.
Neptun in den Fischen wird erst Ende Mai allmählich am Morgenhimmel sichtbar.
Von den 10 hellsten Kleinplaneten sind nur 2-3 zu sehen: Ceres (7.5 mag) im Sternbild Coma, Pallas (8.5 mag) zu Monatsbeginn im Kleinen Hund und Iris (9 mag) in der Jungfrau.
Mondphasen:
Vollmond am Fr 5.5., Letztes Viertel Fr 12.5., Neumond (Nr.1242) Fr 19.5., Erstes Viertel s.a. 27.5.
Neulicht (erste abendliche Mondsichel) am 21.5., bestes Erdlicht (Widerschein der "Vollerde" am Mond) am 22.5.
Am 5.5. ist beim Aufgang des Vollmonds (in Wien 20:15) gerade noch das Ende einer Halbschatten-Mondfinsternis zu bemerken. Ihre Mitte tritt um 19:23 MESZ ein, ihr theoretisches Ende um 21:34.

Konjunktionen (Zeiten in MESZ):
02.5., 01h: Merkur in unterer Konjunktion zur Sonne
05.5., 19-21h: Halbschatten-Mondfinsternis (kurz vor Mondaufgang, kaum sichtbar)
09.5., 22h: Uranus in Konjunktion zur Sonne
13.5., 15h: Mond 3,2° südlich von Saturn
17.5., 15h: Mond 0,8° nördlich von Jupiter
17.5., 20h: Mond, Merkur, Jupiter innerhalb 6°
18.5., 04h: Mond 3° nördlich von Merkur
23.5., 14h: Mond 2,0° nördlich von Venus; um 20h Abstand 3,0°
24.5., 20h: Mond 3,5° nördlich von Mars
29.5., 08h: Merkur westliche Elongationn 25°.

Kometen heller als 12 mag:
237P/ Linear (11-12 mag) vom Schützen zum Adler. Am 5.5. nahe NGC 6822, am 14.5. im Perihel.
C/2022 A2 (ZTF, 12 mag) bis Monatsmitte knapp unterhalb der Andromedagalaxie, in 20° Höhe am Morgenhimmel)

Meteorströme:
Lyriden: 15.-28. April, flaches Maximum 22.4. morgens (helle schon ab 1h), etwa 8-20 schnelle Meteore pro Stunde
Sigma-Leoniden: 10.4.–10.5., Maximum ca.16.4., nur wenige pro Stunde ➔ ein Fall für Spezialisten (Strom könnte versiegt sein)
Eta-Aquariden: 19.4. – 15.5., wenige pro Stunde.


Viel Freude an Veranstaltungen und Himmelsbeobachtungen wünscht
Dr. Gottfried Gerstbach
1. Vorsitzender des ÖAV
Laadoc
 
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